Relativitätstheorie relativ anschaulich

Reiseziel: Schwarzes Loch - Visualisierungen zur Allgemeinen Relativitätstheorie

Ute Kraus, 11.11.2005

Eine Reise fast bis an den Horizont eines Schwarzen Lochs - die Computersimulation machts möglich und zeigt, was wir von dort aus sehen würden.

Die Visualisierung ermöglicht Reisen, die der aufkeimende Weltraumtourismus sicher noch lange nicht und wahrscheinlich überhaupt nie anbieten wird. Eine der interessantesten ist die Reise in die unmittelbare Nähe eines Schwarzen Lochs. Wenn wir uns dort aufhalten und uns einfach mal umschauen könnten, was würden wir sehen?

Als Ziel dieser virtuellen Reise wählen wir ein Schwarzes Loch von zehn Sonnenmassen. Es ist aus einem Stern von weit größerer Masse entstanden, der seine Entwicklung mit einer Supernovaexplosion beendet hat. Dabei wurde die äußere Gashülle in den Raum hinausgeschleudert, während der Kern zu einem Schwarzen Loch kollabierte. Die Milchstraße mit ihren hundert Milliarden Sternen enthält schätzungsweise eine Milliarde solcher stellarer Schwarzer Löcher.

Anflug

Nachthimmel
(a)
Schwarzes Loch
(b)
Schwarzes Loch
(c)
Schwarzes Loch
(d)
Abb. 1: Blick auf ein Schwarzes Loch von zehn Sonnenmassen aus einem Abstand von 150 Millionen Kilometern (a), 3000 Kilometern (b), 600 Kilometern (c), 150 Kilometern (d). Die Bilder entstehen, während das virtuelle Raumschiff einen konstanten Abstand zum Schwarzen Loch hält.

Unsere Reise führt in Richtung des Sternbilds Schwan (Abb. 1a); der Blick nach vorne zeigt, waagrecht im Bild, das leuchtende Band der Milchstraße. Die computergenerierten Bilder sind für einen horizontalen Kameraöffnungswinkel von 90 Grad berechnet. Den richtigen Eindruck bekommt man, wenn man die Bilder auch unter diesem Öffnungswinkel ansieht – für einen bequemen Augenabstand von 30 Zentimetern müsste das einzelne Bild dazu auf 60 Zentimeter Breite vergrößert werden, was etwa dem Format DINA2 quer entspricht.

Wir nähern uns zunächst bis auf 150 Millionen Kilometer, d. h. bis auf den Abstand der Erde zur Sonne. Auf unserer Weitwinkelaufnahme ist von dem Schwarzen Loch (immerhin mit der zehnfachen Masse der Sonne!) noch nichts zu sehen. Auch mit dem bloßen Auge könnte man es aus dieser Entfernung nicht erkennen: Der Bereich innerhalb des Horizonts, aus dem weder Materie noch Licht entkommen kann, hat einen Umfang von nur 185 Kilometern und erscheint am Himmel als schwarze Scheibe mit 0,2 Bogensekunden Öffnungswinkel, weit kleiner als das Auflösungsvermögen des menschlichen Auges von ein bis zwei Bogenminuten.

Erst wenn wir dem Schwarzen Loch wesentlich näher gekommen sind, ist das erwartete schwarze Scheibchen deutlich zu erkennen. Abb. 1b zeigt den Anblick aus 3000 Kilometern Entfernung. Dieses Bild ist, wie auch die folgenden Bilder, bei einem festen Abstand vom Schwarzen Loch aufgenommen. D. h. das Raumschiff beschleunigt gerade so stark, dass es die Anziehung durch das Schwarze Loch kompensiert. Die erforderliche Beschleunigung ist hier bereits immens: 15 Millionen-fache Erdbeschleunigung. Aber schließlich haben wir ein Objekt von zehn Sonnenmassen vor uns, in einem Abstand von nur einem halben Erdradius bzw. einem halben Prozent des Sonnenradius.

Die schwarze Scheibe ist von einer ringförmigen Struktur umgeben. Aus 600 Kilometern Entfernung (Abb. 1c, 400 Millionen-fache Erdbeschleunigung) ist die Struktur ganz deutlich zu sehen und lässt sogar einen erheblichen Teil der Milchstraße verzerrt erscheinen. Diese Verzerrungen kommen dadurch zustande, dass Licht in der Nähe des Schwarzen Lochs abgelenkt wird.

 
Lichtablenkung
(a)
Lichtablenkung
(b)
Abb. 2: Lichtablenkung in der Nähe eines Schwarzen Lochs (der Bereich innerhalb des Horizonts ist grau schraffiert).

Dass Massen Licht ablenken, war einer der ersten Tests von Albert Einsteins Allgemeiner Relativitätstheorie. Für Licht, das nahe am Rand der Sonne vorbeikommt, sagte Einstein eine Ablenkung um 1,75 Bogensekunden voraus, die durch Beobachtungen inzwischen mit hoher Genauigkeit bestätigt ist. Im Gegensatz zu dieser winzigen Abweichung ist die Lichtablenkung in der Nähe eines Schwarzen Lochs dramatisch groß, wie Abb. 2 illustriert: Von links einfallendes Licht nähert sich einem Schwarzen Loch (der Bereich innerhalb des Horizonts ist grau schraffiert dargestellt). Je nachdem wie nahe ein Lichtstrahl dem Schwarzen Loch kommt, wird er es treffen oder entweichen. Die Grenze zwischen den entweichenden und den eingefangenen Lichtstrahlen ist eine Kreisbahn: Licht, das genau im richtigen Abstand eintrifft, schwenkt auf diese Kreisbahn ein und umkreist das Schwarze Loch für immer. In einem kleinen Bereich ganz in der Nähe der Kreisbahn ist die Ablenkung besonders groß (Abb. 2b); Licht umrundet dort das Schwarze Loch u. U. viele Male, bevor es entweicht (oder durch den Horizont nach innen gelangt).

 
Lichtstrahlen
(a)
Lichtstrahlen
(b)
Lichtstrahlen
(c)
Abb. 3: Ein Beobachter in der Nähe eines Schwarzen Lochs sieht den ganzen Himmel im Prinzip unendlich oft. Durchgezogener Kreis: Horizont des Schwarzen Lochs, gestrichelter Kreis: Kreisbahn des Lichts, schwarze Scheibe: Beobachterposition. Erstes Bild des ganzen Himmels: blaue Strahlen, 2. Bild: rote Strahlen, 3. Bild: grüne Strahlen (nur eine Hälfte der Strahlen ist eingezeichnet).

Dass Lichtstrahlen ein Schwarzes Loch beliebig oft umrunden können, führt dazu, dass ein Beobachter in der Nähe des Schwarzen Lochs den ganzen Himmel im Prinzip unendlich oft sieht. In Abb. 1c erkennt man einen rosafarbenen Kreis um das Schwarze Loch. Außerhalb davon sieht man den ganzen Himmel; innerhalb sieht man den ganzen Himmel ein zweites Mal. Abb. 3 illustriert, wie das zustandekommt: Licht von einem Objekt genau hinter dem Schwarzen Loch kann um das Schwarze Loch herumgelenkt werden und so den Beobachter erreichen. In der Abbildung sind zwei solche Lichtstrahlen eingezeichnet. Die beiden liegen in der Zeichenebene; Lichtstrahlen oberhalb und unterhalb der Zeichenebene werden aber auf die gleiche Weise um das Schwarze Loch herumgelenkt, so dass der Beobachter das Objekt insgesamt als Ring sieht. Der rosafarbene Ring in Bild 1c entsteht auf diese Weise und ist das Abbild einer Gaswolke, die sich von uns aus gesehen genau hinter dem Schwarzen Loch befindet.

Licht, das der Beobachter außerhalb des Rings sieht (Abb. 3a, blaue Strahlen), kommt aus allen denkbaren Richtungen – wir sehen also außerhalb den gesamten Himmel. Lichtstrahlen, die der Beobachter innerhalb des Rings empfängt (Abb. 3b, rote Strahlen), sind näher am Schwarzen Loch vorbeigekommen als die blauen Strahlen und wurden dabei so stark abgelenkt, dass der Beobachter beim Blick nach unten den oberen Teil des Himmels sieht etc. Auch die roten Lichtstrahlen decken alle Richtungen ab – wir sehen also den gesamten Himmel ein zweites Mal, allerdings invertiert und zu einem Ring verzerrt. In Bild 1c ist innerhalb des Rings die gesamte Milchstraße zu erkennen.

Lichtstrahlen, die noch näher an der Kreisbahn liegen (Abb. 3c, grüne Strahlen), werden noch stärker abgelenkt. Auf diese Weise sehen wir in einem weiteren, schmalen Ring den gesamten Himmel ein drittes Mal, wobei beim Blick nach oben wieder der obere Teil des Himmels erscheint. Das dritte Bild ist allerdings ein so schmaler Streifen, dass es in Bild 1c nicht aufgelöst ist. In Bild 1d kann man es am Rand der schwarzen Scheibe gerade erahnen.

Im Prinzip entstehen auf diese Weise unendlich viele Abbilder des gesamten Himmels in der Form von ineinandergeschachtelten, immer schmaler werdenden Ringen.

 
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AutorInnen: Ute Kraus, Datum: 11.11.2005
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