Relativitätstheorie relativ anschaulich

Experimente II - Physik

Eine lange, straff gespannte Schnur, die nahe am Schwarzen Loch
 vorbeiführt.
Abb. 12: Eine lange, straff gespannte Schnur, die nahe am Schwarzen Loch vorbeiführt.
Der äußerste Ring der gestückelten Karte
 mit den beiden Enden der Schnur (bei ca. 2:30 Uhr und 10 Uhr).
Abb. 13: Der äußerste Ring der gestückelten Karte mit den beiden Enden der Schnur (bei ca. 2:30 Uhr und 10 Uhr).
Längs einer geschlossenene Kurve um das Schwarze Loch wird ein
Vektor parallel transportiert.
Abb. 14: Längs einer geschlossenene Kurve um das Schwarze Loch wird ein Vektor parallel transportiert.
Nach einer Umrundung stimmt die Richtung des Vektors nicht mit
der Anfangsrichtung überein (bei 4 Uhr).
Abb. 15: Nach einer Umrundung stimmt die Richtung des Vektors nicht mit der Anfangsrichtung überein (bei 4 Uhr).

Straff gespannte Schnur - Lichtablenkung. Wir bringen in der Äquatorebene eine lange, straff gespannte Schnur an. Straff gespannt heißt, dass die Schnur gerade verläuft (Abb. 12).

Nun legen wir den äußeren Teil der gestückelten Karte als geschlossenen Ring aus (Abb. 13). Das ist möglich, weil der Raum in dieser Entfernung vom Schwarzen Loch nur noch wenig gekrümmt ist, so dass sich die Kartenstücke fast lückenlos zu einem Ring schließen. (Die inneren Teile der Karte passen in diesen Ring nicht hinein, da sie ja in radialer Richtung länger sind als das in unserem hiesigen ungekrümmten Raum der Fall wäre.)

Auf dem Ring sind die beiden Enden der Schnur zu erkennen: ihre Richtungen sind verschieden! Von außen betrachtet kommen die Schnurenden in verschiedene Richtungen aus der näheren Umgebung des Schwarzen Lochs heraus: Es scheint, als ändere die Schnur in der Nähe des Schwarzen Lochs ihre Richtung. Wenn man dagegen an der ganzen Schnur entlangläuft, kann man sich davon überzeugen, dass sie überall straff gespannt und schnurgerade ist. (Abb. 12).

Wenn Licht in der Nähe eines Schwarzen Lochs vorbeikommt, passiert im Prinzip dasselbe. Der Lichtstrahl läuft überall geradlinig, aber seine Richtungen weit vor und weit hinter dem Schwarzen Loch sind trotzdem verschieden. Das ist das Phänomen der Lichtablenkung an einem Schwarzen Loch.

Diese Beschreibung ist allerdings nur die halbe Wahrheit. Das Licht bewegt sich nämlich nicht nur durch den Raum, sondern auch in der Zeit, die in der Nähe eines Schwarzen Lochs ebenfalls gekrümmt ist. Ein Lichtstrahl ist eine Geodäte in einer vierdimensionalen gekrümmten Raum-Zeit. Um diese Geodäte zu konstruieren, reicht eine räumliche Karte nicht aus; man bräuchte ein raum-zeitliches Modell.

Paralleltransport - geodätische Präzession. Wir wählen eine beliebige geschlossene Kurve um das Schwarze Loch. An einem Punkt geben wir eine feste Richtung vor, ebenfalls beliebig gewählt, und zeichnen sie als Vektorpfeil ein. Wir folgen der Kurve und behalten dabei die Richtung des Vektors bei; der Vektorpfeil wird in kurzen Abständen eingezeichnet und ist dabei immer parallel zu den bisherigen Pfeilen (Abb. 14). Diese Prozedur ist der Paralleltransport eines Vektors. Was passiert, wenn wir an den Ausgangspunkt zurückkommen? Die Richtung des Pfeils am Wegende stimmt nicht mit der Richtung am Weganfang überein (Abb. 15)!

Ein Beispiel für eine feste Richtung ist die Drehimpulsachse eines kräftefreien Kreisels. Wenn ein solcher Kreisel ein Schwarzes Loch (oder eine andere Masse) umrundet, dann zeigt die Drehimpulsachse am Ende der Runde i. a. in eine andere Richtung als am Anfang. Dies ist die sogenannte geodätische Präzession, ein relativistisches Phänomen, das es in der Newtonschen Gravitationstheorie nicht gibt. Die geodätische Präzession wurde erstmals 1987 nachgewiesen und soll mit dem Satelliten Gravity Probe B (Start im April 2004) mit hoher Genauigkeit überprüft werden.

Auch hier gilt einschränkend: Der Kreisel bewegt sich auf dem Weg um das Schwarze Loch nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit. Der Paralleltransport im Raum ist also nicht identisch mit der geodätischen Präzession. Aber das Prinzip ist dasselbe: Die Stellung der Drehimpulsachse nach einem Umlauf ergibt sich aus dem Paralleltransport  4der Anfangsrichtung durch die Raum-Zeit.

 

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Fermi-Walker-Transport, falls der Kreisel nicht einer Geodäten folgt.
 
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AutorInnen: Ute Kraus, Corvin Zahn, Datum: 02.03.2005
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