Unser Beitrag zur Fußballweltmeisterschaft: In anderen Abschnitten auf unserer Website wird gezeigt, wie fast lichtschnell bewegte Objekte gedreht, gestaucht, gedehnt und verbogen erscheinen. Der Fußball stellt eine bemerkenswerte Ausnahme dar: Aufgrund einer merkwürdigen Laune der Natur sieht er immer rund aus, egal mit welcher Geschwindigkeit und Richtung er sich bewegt: Der Ball ist rund.
Die Nationalmannschaft des kleinen Landes X hat einen begabten, aber philosophisch veranlagten Torwart. Gestern abend las er in den Schriften von Albert Einstein und fand dort:
Ein starrer Körper, welcher in ruhendem Zustande ausgemessen
die Gestalt einer Kugel hat,
hat also in bewegtem Zustande - vom ruhenden System aus betrachtet -
die Gestalt eines Rotationsellipsoides [...]. Während also die
Y- und Z-Dimension der Kugel [...] durch die Bewegung nicht
modifiziert erscheinen, erscheint die X-Dimension im Verhältnis
1:[1-(v/V)2]1/2
verkürzt, also um so stärker, je größer v ist.
(Albert Einstein, 1905 in [1].
Mit X-Dimension ist hier die Richtung gemeint, in die sich die Kugel
bewegt, v ist ihre Geschwindigkeit; V ist die Lichtgeschwindigkeit.)
Es fiel ihm nicht schwer, sich das bildlich vorzustellen:
(Der Fußball bewegt sich quer in Richtung der Karos.)
Heute auf dem Spielfeld kommt ihm Einsteins Längenkontraktion wieder in den Sinn, und er schaut nachdenklich dem Elfmeter entgegen (Film in Zeitlupe)
– „Tooor!“ – Wenn dieser Ball jetzt nicht hundert Stundenkilometer schnell wäre, sondern fast so schnell wie das Licht? Würde ich etwa einen aufrecht stehenden Fladen auf mich zuschießen sehen?
Das Spiel ist zwar verloren, aber seine Frage können wir dem Torwart beantworten. Beim Elfmeter mit 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit würde der Ball so aussehen (extreme Zeitlupe):
Leicht verzerrtes Muster, aber der Ball ist rund. Und das trotz Längenkontraktion auf knapp die Hälfte. Das gleiche schneller - 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit (Längenkontraktion auf 1/7):
Ziemlich verzerrtes Ballmuster, aber der Ball ist rund.
Wo steckt die Längenkontraktion? Um das zu sehen, lassen wir sie in der Simulation einfach mal weg (90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit):
Der Fußball als Zeppelin! So hätten Physiker vor Einstein dem philosophischen Torwart geantwortet.
Dieses Bild kann man nun relativ einfach verstehen. Man muss sich nur bewusst machen: Damit wir den Fußball sehen, muss Licht vom Fußball ins Auge gelangen. Nun ist Licht zwar sehr schnell, aber nicht unendlich schnell. Also braucht es für den Weg vom Fußball bis ins Auge eine gewisse Zeit. Diese Lichtlaufzeit ist für alle Seltsamkeiten in den obigen Filmen verantwortlich.
Ein einfaches Beispiel zeigt, was im Prinzip passiert: Licht von einem Stab fällt in eine Kamera. Die Zeit, die es für den Weg braucht, kann länger oder kürzer sein, je nachdem, von welchem Punkt das Licht kommt.
Wird der Auslöser betätigt, dann registriert die Kamera das Licht, das zu diesem Zeitpunkt gerade ankommt. Dieses Licht wurde, je nach Laufzeit, innerhalb eines gewissen Zeitraums nach und nach ausgesandt. Wenn sich der Stab nun bewegt, dann ändert er ständig seine Position, während er nach und nach das Licht aussendet, das letztlich gleichzeitig bei der Kamera ankommt.
Die Folge: Ein herankommender Stab sieht in die Länge gezogen aus! So wird ein Fußball (ohne Längenkontraktion) zum Zeppelin.
Was passiert nun, wenn man die Längenkontraktion hinzunimmt? Was überwiegt? Beim Stab stellt man fest, dass immer der Lichtlaufzeiteffekt gewinnt. D. h. ein Stab sieht in jedem Fall beim Heranflug länger aus, als wenn er ruht. Bei der Kugel ist die Sache komplizierter. Im Gegensatz zu dem dünnen Stab hat sie auch quer zur Bewegungsrichtung eine relativ große Ausdehnung. Und auch hier spielt die Lichtlaufzeit eine Rolle:
Ein quer fliegender Stab erscheint gekrümmt! So entstehen die Verzerrungen im Ballmuster.
Wenn man nun alles zusammen nimmt - Längenkontraktion, Dehnung durch den Lichtlaufzeiteffekt und Verzerrung durch den Lichtlaufzeiteffekt - dann kann ein heranfliegendes Objekt je nach Geschwindigkeit und Blickrichtung auf ganz verschiedenartige Weise verzerrt aussehen.
Ein Fußball aber ist ein ganz besonderes Ding: Der Ball ist rund. Eine Kugel sehen wir immer mit einem exakt kreisförmigen Umriss. Das gilt bei jeder Geschwindigkeit, in jedem Abstand und für jede Blickrichtung und läßt sich mathematisch exakt beweisen (Boas 1961 [2]).
Anstatt jetzt selber philosophisch zu werden und uns weiter über die besondere Stellung des Fußballs in der Physik zu verbreiten, werden wir den Ball zum Schluss noch einmal ganz genau anschauen.
Jedes Bild ist eine Projektion. Um besser zu beurteilen, wie der fast lichtschnelle Fußball nun wirklich aussieht, bräuchte man einen besseren Tiefeneindruck. Dieser wird im folgenden Film erreicht, indem der Fußball aufgeschnitten wird: Der Ball ist halbiert; die obere Hälfte rutscht über eine Ebene. Aus dieser Hälfte sind außerdem Streifen herausgeschnitten, so dass man in den halbierten Ball hineinschauen kann und seinen „Fußabdruck“ auf der Ebene erkennt.
Der Ball scheint zu einem langen, schmalen Gebilde verzerrt und geschert! Wenn wir aber auf den Umriss blicken, dann bleibt es dabei: Der Ball ist rund.
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