Relativitätstheorie relativ anschaulich

Nur scheinbar schneller als das Licht

Jet des Quasars 3C273
Abb. 4: Ein leuchtender Knoten im Jet des Quasars 3C273 entfernt sich um eine dreiviertel Millibogensekunde pro Jahr vom Quasarzentrum. Die Abbildung zeigt Höhenlinien der vom Quasar und seinem Jet ausgehenden Radiostrahlung. Die horizontale Achse ist in Einheiten von 2 Millibogensekunden unterteilt. (1 Millibogensekunde = 1 Grad / (3,6 x 106). Bild nach [ 3].

Wenn heranfliegende Maßstäbe verlängert aussehen, (Abb.  1, links), dann muss ihre Geschwindigkeit vergrößert erscheinen: Stellen wir uns vor, wir machen eine zweite Aufnahme, auf der alle bewegten Maßstäbe gerade um eine Position in der Reihe weitergerückt sind. Dann haben die heranfliegenden Stäbe scheinbar eine wesentlich größere Strecke zurückgelegt als die wegfliegenden, so als wären sie viel schneller. Wie verschieden die Geschwindigkeiten erscheinen, sieht man am besten im Film, zu finden im Begleitmaterial auf der Startseite dieses Artikels.

Der Grund dafür, dass wir verschiedene Geschwindigkeiten sehen, wo wir gleiche Geschwindigkeiten messen, ist wiederum die Laufzeit der Lichtsignale: Beim Anflug hat ein später ausgesandtes Signal einen kürzeren Weg und holt auf diese Weise einen Teil der Verspätung auf. Zwischen dem Aussenden der Signale ist also in Wirklichkeit mehr Zeit vergangen, als wir beim Betrachten des Objekts denken. Daher wird die Geschwindigkeit überschätzt. Umgekehrt wird die Geschwindigkeit beim Wegflug des Objekts systematisch unterschätzt, weil später ausgesandte Signale auch noch einen längeren Weg haben. So wie die scheinbare Stablänge beliebig groß werden kann, wenn der Stab nur schnell genug ist, kann auch die scheinbare Geschwindigkeit beliebig groß werden - sogar größer als die Geschwindigkeit des Lichts.

Solche scheinbaren Überlichtgeschwindigkeiten werden tatsächlich beobachtet. Im Jahr 1973 fand man im Kernbereich des Quasars 3C279 Strukturen, die sich anscheinend mit zehnfacher Lichtgeschwindigkeit vom Quasarzentrum entfernen. Inzwischen sind eine ganze Anzahl solcher sogenannter Überlichtgeschwindigkeitsquasare bekannt, darunter der besonders gut untersuchte Quasar 3C273. Abb. 4 zeigt einen Knoten im Jet dieses Quasars, der sich vom Quasarzentrum entfernt und dabei über drei Jahre hinweg eine dreiviertel Millibogensekunde pro Jahr an der Himmelskugel zurücklegt. Aus der Rotverschiebung des Quasars schließt man auf eine Entfernung von etwa 2,6 Milliarden Lichtjahren [ 3]. Eine Strecke in dieser Entfernung, die sich für uns über eine dreiviertel Millibogensekunde erstreckt, ist über neun Lichtjahre lang. Der Knoten scheint also in nur einem Jahr eine Entfernung von mehr als neun Lichtjahren zurückzulegen: Damit wäre er mehr als neunmal so schnell wie Licht. Dazu kommt, dass wir in der Beobachtung nur die Geschwindigkeit quer zur Sichtlinie sehen. Zusätzlich hat der Knoten eine Geschwindigkeitskomponente von unbekannter Größe in Richtung der Sichtlinie.

Falls die unbekannte Komponente in Richtung der Sichtlinie fast Lichtgeschwindigkeit beträgt, tritt der Lichtlaufzeiteffekt auf, der oben anhand der Maßstäbe beschrieben wurde. Die Geschwindigkeit wird überschätzt und selbst die (kleinere) Komponente quer zur Sichtlinie kann dann noch größer als die Lichtgeschwindigkeit erscheinen. Die beobachtete Überlichtgeschwindigkeit des Knotens im Jet von 3C273 kann man dadurch erklären, dass der Jet mehr als 99 Prozent der Lichtgeschwindigkeit hat und fast zentral auf uns gerichtet ist.

 
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AutorInnen: Ute Kraus, Datum: 14.07.2005
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